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Stadtentwicklung

1. Hintergrund

2. 1703 - 1725 Der erste Spatenstich bis zum Tode Peter I.

3. 1725-1801 Ausbau und Konsolidierung
Vom Tode Peter I. bis zum Regierungsantritt Alexander I.


4. 1801 - 1917
Die Vollendung der imperialen Hauptstadt und gesellschaftlicher Wandel


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Am Anfang standen umfangreiche Aufschüttungen, um in dem unwirtlichen und sumpfigen Delta der Newa einen dauerhaften Untergrund für die Errichtung größerer Gebäude zu erhalten. Am 16./27.Mai 1703 wurde mit dem Bau der Peter-Paul-Festung begonnen, der Keimzelle der Stadt, die ihre Funktionstüchtigkeit allerdings nie unter Beweis stellen mußte. Dieses Datum gilt als Gründungstag der Stadt, die nach dem Heiligen benannt wurde. Bei der Begeisterung des Zaren für Holland legte er Wert auf die holländische Bezeichnung St. Piterburch. Zu Beginn bestand die Festung aus Erdschanzen und Holzwällen. Erst ab 1706, unter dem Architekten Domenico Trezzini, erhielt die Festung ihr heutiges Aussehen.

Peter-Paul-Festung auf der Haseninsel, im Hintergrund die Bastion Kronwerk und die Petrograder Seite

Traditionell wurde in Rußland Holz als Baumaterial verwendet, es war reichlich vorhanden. Die neue Hauptstadt sollten nach den Vorstellungen Peter I. aber gänzlich aus Stein entstehen, ein für Rußland seltenes und kostbares Baumaterial. Es symbolisierte für den Zaren aber den radikalen Aufbruch in die Moderne und nach Europa. Mit einem drastischen Erlass wurde versucht, dem Mangel Herr zu werden, so mußte jedes Schiff und jedes Fuhrwerk, das die Stadt passierte ein Kontingent an Steinen abgeben. 1710 wurde jeder Einwohner verpflichtet, 100 Steine zu sammeln und abzuliefern. 1714 verfügte der Zar einen landesweiten Baustopp für alle steinernen Gebäude außerhalb von St. Petersburg, der erst 1741 außer Kraft gesetzt wurde. Die übrigen Erlasse blieben sogar bis 1776 in Kraft.

Ein gewünschter weiterer Effekt dieses Baustopps war es, Maurer und andere Fachkräfte nach St. Petersburg zu ziehen. Der Arbeitskräftemangel war ebenso ein Engpaß, dem ansonsten durch Zwangsverpflichtung und dem Einsatz von schwedischen Kriegsgefangenen, Leibeigenen sowie Sträflingen begegnet wurde. Aufgrund der harten Lebensbedingungen, schlechter Versorgung, Krankheiten und des unwirtlichen Sumpf-Klimas starben zigtausende wenn nicht gar über 100.000 Menschen, die genaue Zahl ist nicht ermittelbar. Die Arbeiter mußten in Erdlöchern oder Schilfhütten hausen, nur für qualifizierte Fachkräfte standen feste Gebäude zur Verfügung. Bis 1725 wurde die Stadt elfmal überschwemmt, allein bei einem Unwetter im September 1703 ertranken über 2000 Menschen. Viele versuchten trotz drakonischer Strafen zu fliehen. Wer die Stadt ohne Erlaubnis verließ, dessen Familie landete solange im Gefängnis, bis er zurückgebracht wurde. Um entflohene Sträflinge leichter zu finden, wurden diesen die Nasenflügel abgeschnitten.

Die brachiale, menschenverachtende Brutalität mit der Peter I. seine Vision verfolgte, ist die Kehrseite der Medaille, und wirft lange Schatten auf den Respekt vor seinen Leistungen. Die Vorgänge wurden in Europa registriert und leisteten ihren Beitrag zum Bild "russischer Barbarei".

"Es wird in diesem Reich alles mal ein Ende mit Schrecken nehmen, weil die Seufzer so vieler Millionen Seelen wider den Zaren zum Himmel steigen.", so der Gesandte des Kurfürstentums Hannover, Friedrich Christian Weber, in einem Bericht vom 3. Februar 1718.

Die neue Hauptstadt sollte nach einem Gesamtkonzept entstehen, das in den Vorstellungen Peters I. sich sehr an Amsterdam orientierte. Eine von Kanälen durchzogene Stadt, in der das Wasser das verbindende Element war, mit dem Boot als Hauptverkehrsträger. Das Problem war, daß es kein städtebauliches Konzept gab. Der Bau der Festung erschien militärisch vorrangig in einem Krieg, dessen Ausgang zu diesem Zeitpunkt noch völlig offen war. Erst nach der Schlacht bei Poltawa 1709 und der Eroberung Estlands und Livlands 1710 konnten die russischen Erwerbungen als gesichert angesehen werden.

1704 wurde mit der Werft auf der Südseite der Newa, dort war das Flußbett am tiefsten, das zweite größere Bauvorhaben begonnen. Von ihrer Konzeption her hatte die Werft auch die Funktion einer zweiten Festung. Um diese beiden Großbaustellen herum entstanden zwangläufig auf organischem Weg weitere Gebäude und Ansiedlungen. Peter I. wohnte selber in einem kleinen Blockhaus in der Nähe der Festung. Mangel an Arbeitskräften, besonders qualifizierten Fachleuten, und Baumaterial sowie Improvisation kennzeichnen die Aufbaujahre von St. Petersburg. Das alles unter den Bedingungen des Krieges gegen Schweden. Erst ab 1710 fand Peter I. die nötige Zeit, sich intensiver mit dem Aufbau der neuen Hauptstadt zu befassen. Es fehlte vor allem ein kompetenter Kopf, der den Generalplan für die Stadtentwicklung entwerfen konnte. Mittlerweile arbeiteten zwar mehrere europäische Architekten an Einzelobjekten, den großen Gesamt-Entwurf lieferte keiner von Ihnen.

Zar Peter I. war von der mittlerweile enstandenen städtebaulichen Realität derart enttäuscht, daß er 1712 sogar erwogen hatte, auf der Insel Kotlin, etwa 20 km vor der Küste gelegen, noch einmal mit einer neuen Hauptstadtgründung von vorne anzufangen. Er nahm jedoch schnell davon wieder Abstand. 1712 bestimmte Peter I. Sankt Petersburg offiziell zur neuen Hauptstadt Rußlands. Ab 1715 fasste er den Gedanken, das Stadtzentrum auf der Wassilij-Insel zu entwickeln.

1717 stellte der französische Architekt Jean Baptiste Alexandre Leblond das erste städteplanerische Gesamtkonzept mit der Strelka als Stadtzentrum vor. Der Idealplan von Leblond bildete eine neuzeitliche Festungsstadt ab, deren gezirkelte Geometrie so gar nicht der augenblicklichen Realität entsprach. Das erste Gebäude auf dieser Insel war der 1710-11 fertiggestellte Palast des Fürsten Menschikow, das längere Zeit auch das einzige Gebäude auf der Insel blieb. Der Plan von Leblond überstieg die vorhandenen technischen Kapazitäten bei weitem, die die schwierigen Bodenverhältnisse auf der Wassilij-Insel erfordert hätten. Darüber hinaus wurde der Bau weiterer Befestigungsanlagen in der Stadt durch die militärischen Erfolge überflüssig.

Peter I. hatte bei der weiteren Entwicklung vor allem die Petrograder Seite im Blick, an der Festung gelegen, wo sich auch sein bescheidenes Blockhaus befand. Hier sollten alle Diensstellen und Einrichtungen für Stadtangelegenheiten sowie die Garnison angesiedelt werden. Aber längst hatte sich um die Werft, die seit 1711 auch Sitz der Admiralität war, eine Eigendynamik entwickelt, so daß sich die Admiralitäts-Seite zum größten Stadtteil und zum Zentrum der Stadt entwickelte. Um die Werft herum war ein bedeutender Wirtschaftsorganismus entstanden. Bereits 1706 lief die erste Fregatte vom Stapel und bis zum Tode Peters I. entstanden hier 262 Schiffe. Mit dem Bau der Zarenresidenzen, dem Sommerpalast und dem Winterpalast, war die Zentrumfrage entschieden.

Das Blockhaus Peter I. ist ein Museum und würde bereits im 19. Jh. durch einen überdachenden Ziegelbau vor Hochwasser geschützt.

Nowgorod spielte als nächstgelegenes städtisches Zentrum eine wichtige Rolle für die Versorgung St. Petersburgs. Der Nowgoroder Handelsweg verlief allerdings an der neuen Stadt vorbei bis zum Newa-Knie, wo er sich verzweigte. Um eine bessere Anbindung zu erreichen, ordnete Peter I. 1709 an, von der Werft aus eine Straße in östlicher Richtung bis zum Handelsweg anzulegen. Schnittpunkt ist der heutige pl. Wosstanija. Nach der Gründung des Alexander-Newskij-Kloster 1710, welches als ein weiterer städtebaulicher Fixpunkt wirkte, wurde diese Straße verlängert und entwickelte sich zur wichtigsten "trockenen" Verkehrsachse der Stadt, dem späteren Newskij Prospekt.

Bereits anhand der ersten städtebaulichen Fixpunkte läßt sich die spätere Entwicklung von St. Petersburg aufzeigen. Der ökonomische Schwerpunkt um die Werft, seine Anbindung an den Nowgoroder Handelsweg erzeugte eine Eigendynamik, die den Planungen voraus eilte.

Gleichzeitig ist schon der Dreiklang um die Newagabelung erkennbar, jene Sichtbeziehungen zwischen der Festung, der Spitze der Wassilij-Insel und der Werft, ab 1711 Sitz der Admiralität, der heute "Die Mitte der Stadt" darstellt.

Ein befriedigendes städtebauliches Gesamtensemble hat Peter I. nicht mehr erlebt. Zwar zählte St. Petersburg beim Tod des Zaren 1725 bereits 70.000 Einwohner, es gab aber nur wenige Steingebäude und die architektonischen Zeugnisse der ersten 22 Jahren sind eher wenige. Neben der Festung gehören dazu der Sommerpalast, das Menschikow-Palais, die Zwölf Kollegien und der Kikin-Palast. Die Vollendung blieb den Erben vorbehalten. Peter I. hatte aber eine Entwicklung angestoßen, die nicht mehr umkehrbar war. Zar Peter II. verlegte 1727 die Hauptstadt wieder nach Moskau, aber schon 1732 revidierte seine Nachfolgerin Anna diese Entscheidung zugunsten von St. Petersburg.


1. Hintergrund

2. 1703 - 1725 Der erste Spatenstich bis zum Tode Peter I.

3. 1725-1801 Ausbau und Konsolidierung
Vom Tode Peter I. bis zum Regierungsantritt Alexander I.


4. 1801 - 1917
Die Vollendung der imperialen Hauptstadt und gesellschaftlicher Wandel


© Gaasterland-Verlag 2004

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